Die Schadenspositionen Nutzungsausfalls und der Kostenpauschale unterfallen der Haftungsquote

LG Dortmund, Urteil vom 21.03.2012 – 21 S 15/11

Kongruent zu der Leistung, die der geschädigte Fahrzeugführer von der Kaskoversicherung erhält, sind die Schadenspositionen des Fahrzeugsachschadens, der Wertminderung und der Sachverständigenkosten (Rn.25).

Die Schadenspositionen Nutzungsausfalls und der Kostenpauschale unterfallen der Haftungsquote (Rn. 32).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.04.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Castrop-Rauxel (4 C 387/10) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.385,81 € (in Worten: zweitausenddreihundertfünfundachtzig 81/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar auf einen Teilbetrag von 1.722,48 € ab dem 15.02.2009 und auf einen weiteren Teilbetrag von 663,33 € ab dem 03.07.2010.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schäden, die dieser aus dem Verkehrsunfall vom 12.01.2009 in D, Q-Straße, entstehen, mit einer Haftungsquote von 2/3 zu ersetzen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 8 % und die Beklagten 92 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

1

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 12.01.2009 in D auf der Q-Straße ereignet hat.

2

Bei dem Unfall ist das Fahrzeug der Klägerin beschädigt worden.

3

Die Klägerin hat wegen des Fahrzeugsachschadens ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen und eine Versicherungsleistung von 5.200,00 € erhalten.

4

Mit der Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten als der Haftpflichtversicherung bzw. der Fahrerin des anderen an dem Unfall beteiligten Fahrzeuges insgesamt 2.442,48 €, nämlich Erstattung des weiteren Fahrzeugsachschadens, den sie auf Reparaturkostenbasis errechnet, der Aufwendungen für das außergerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten und entstandenen Nutzungsausfallschadens sowie eine Kostenpauschale.

5

Die Klägerin erwartet auf Grund des Schadensfalles in der Kaskoversicherung eine Prämienhöherstufung und begehrt die Feststellung, dass die Beklagten auch insoweit haften.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, mit der Begründung, der eigene Verursachungsanteil der Klägerin habe das Gewicht von mindestens 1/3, und durch die von der Kaskoversicherung erlangte Leistung sei der Schaden der Klägerin bereits in einem Umfang von sogar mehr als 2/3 ausgeglichen worden, so dass kein Raum für einen weiteren Schadensersatzanspruch sei.

7

Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

8

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren wie in erster Instanz weiter. In der Berufungsinstanz haben die Parteien allerdings unstreitig gestellt, dass die Verursachungsbeiträge zu Lasten der Klägerin mit 1/3 und zu Lasten der Beklagten mit 2/3 zu gewichten sind.

9

Im Hinblick darauf, dass die Parteien zunächst auch darüber gestritten hatten, ob der Fahrzeugsachschaden auf Reparaturkostenbasis oder auf Totalschadensbasis berechnet werden müsse, haben die Parteien nach Hinweisen des Gerichts nun unstreitig gestellt, dass der Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten klägerischen Fahrzeuges 5.500,00 € betrug, das Fahrzeug im Autohaus K entsprechend der Rechnung vom 16.01.2009 vollständig, fachgerecht und nach Maßgabe des Schadensgutachtens repariert worden ist und die Klägerin ihr Fahrzeug nach dieser Reparatur auch über eine Dauer von mehr als 6 Monaten, nämlich bis heute noch, weiter benutzt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 6.667,94 €.

10

Die Klägerin beantragt,

11

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

12

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

13

an sie 2.442,48 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf 1.167,94 € seit dem 01. Februar 2009, auf 554,54 € seit dem 06. Februar 2009 sowie auf 720,00 € seit dem 03.07.2010 zu zahlen.

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2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner

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verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen Schäden, die ihr aus dem Verkehrsunfall vom 12. Januar 2009 in D, Q-Straße, entstehen, mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.

16

3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

17

an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,16 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 03.07.2010 zu zahlen.

18

Die Beklagten beantragen,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in den Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

21

Die Berufung ist überwiegend begründet.

22

Die Beklagten haften – wovon auch das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen ist – im Umfang von 2/3, wie zwischen den Parteien jetzt nicht mehr im Streit steht.

23

Der Zahlungsanspruch erweist sich damit als ganz überwiegend begründet. Die Leistung, die die Klägerin von der Kaskoversicherung erhalten hat, kommt nicht in vollem Umfang auf die Verpflichtung, die die Beklagten gegenüber der Klägerin haben, in Anrechnung. Es gilt nämlich der Grundsatz des Quotenvorrechts zu Gunsten des Geschädigten gegenüber der Kaskoversicherung.

24

Im Einzelnen gilt Folgendes:

25

Kongruent zu der Leistung, die die Klägerin von der Kaskoversicherung erhalten hat, sind die Schadenspositionen des Fahrzeugsachschadens, der Wertminderung und der Sachverständigenkosten.

26

Betreffend den Fahrzeugsachschaden hat die Klägerin zu Recht auf Reparaturkostenbasis abgerechnet. Grundsätzlich hat der Geschädigte zwar die Art der Schadensbeseitigung zu wählen, die die wirtschaftlich Günstigste darstellt. Solange aber die Beträge der Reparaturkosten und der Wertminderung den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigen, ist auf das Integritätsinteresse des Geschädigten Rücksicht zu nehmen, der sein Fahrzeug dauerhaft (mehr als 6 Monate) weiter benutzt und eine vollständige, fachgerechte und in einer den Vorgaben des Sachverständigengutachtens entsprechenden Weise repariert.

27

Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Reparaturkosten und Wertminderung beliefen sich hier auf zusammen auf 6.917,94 € und überstiegen damit den Wiederbeschaffungswert von 5.500,00 € um lediglich etwas mehr als 25 %.

28

Die Ersatzpflicht der Beklagten beschränkt sich auf diejenigen Schadenspositionen, die zu der erlangten Kaskoleistung kongruent sind, berechnet sich damit auf insgesamt 4.981,65 €:

29

Reparaturkosten: 6.667,94 €
Wertminderung: 250,00 €
Sachverständigengutachten: 554,54 €
Zusammen: 7.472,48 €
Davon 2/3: 4.981,65 €.

30

Trotz der erlangten Leistung der Kaskoversicherung von 5.200,00 € ist der Klägerin als der unmittelbar Geschädigten damit noch ein Schaden von 2.272,48 € verblieben.

31

Der erstrangige Teilbetrag der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten in dieser Höhe besteht weiterhin als Verpflichtung gegenüber der Klägerin, nur der überschießende Betrag ist auf die Kaskoversicherung übergegangen.

32

Darüber hinaus steht der Klägerin wegen der Schadenspositionen des Nutzungsausfalls und der Kostenpauschale in der Gesamthöhe von 170,00 € ein Schadensersatzanspruch entsprechend der Quote von 2/3 in Höhe von 113,33 € zu.

33

In der Hauptsache war deshalb die Klage nur wegen des darüber hinausgehenden Betrages von weiteren 56,67 € abzuweisen.

34

Gegenüber den Vorstellungen der Klage ist Verzug erst geringfügig später eingetreten. Der beklagten Versicherung war zunächst eine angemessene Frist zur Prüfung einzuräumen.

35

Der Feststellungsanspruch ist begründet, jedoch beschränkt auf die Haftungsquote der Beklagten von 2/3.

36

Die Beklagten schulden auch Ausgleich der Rechtsanwaltskosten, die erforderlich waren, um den Anspruch in der tatsächlich bestehenden Höhe vorgerichtlich geltend zu machen. Maßgeblich war dafür der Streitwert von bis zu 6.000,00 €.

37

Denn die Schadensersatzforderung war – berechtigterweise – außergerichtlich geltend gemacht worden, bevor die Klägerin die Kaskoversicherung in Anspruch genommen und die Versicherungsleistung erhalten hatte. Berechtigt war der Schadensersatzanspruch ursprünglich in Höhe von 5.094,99 €, nämlich 2/3 des entstandenen Schaden in der Gesamthöhe von 7.642,48 €. Bei einem Streitwert von bis zu 6.000,00 € ergaben sich notwendige Rechtsanwaltskosten (Geschäftsgebühr, bei Steigerungssatz von 1,3, zuzüglich Pauschale für Telekommunikationsleistungen und Mehrwertsteuer) in Höhe von 546,69 €.

38

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10 ZPO.

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